Die Geschichte der Norfolk-Terrier bis 1964

Charles Lawrence

Die Geschichte der Norfolk-Terrier beginnt im England des 19. Jahrhunderts. Hundehändler war kein besonders angesehener Beruf zu dieser Zeit, doch Charles Lawrence aus Cambridge sollte mit ihm in die Geschichte eingehen. Bei ihm kauften die Studenten um 1880 kleine rote Terrier, mit denen sie sportliche Wettkämpfe im Rattenbeißen austrugen.

 
 
'The Lesson', England 1867
Die Rattenjagd war schon länger die Hauptaufgabe der kleinen roten Terrier aus East Anglia, der Getreidekammer Englands. Sie lebten auf den Höfen der Bauern und mussten dafür sorgen, dass die Ratten nicht überhand nahmen. Schon auf Gemälden aus der Mitte des 19. Jahrhunderts sind Terrier abgebildet, die den heutigen Norfolks und Norwichs überraschend ähnlich sehen. Charles Lawrence brachte diese Hunde in die Stadt und sorgte so dafür, dass die richtigen Leute von ihnen erfuhren.

Vieles spricht dafür, dass auch kleine Irish Terrier zu ihren Ahnen gehören. Irish Terrier sind erst seit ca. 1870 auf Schauen zu sehen. 1873 wurden in Dublin 10 Inches (25 cm) kleine Miniatur Irish Terrier ausgestellt. Kleine irische Terrier wurden seit ca. 1860 von Captain Vaughan,Master of the Foxhounds aus Ballybrick, gezüchtet, da sie in der Lage waren, Füchsen in ihren Bau zu folgen. Es ist aber nicht klar, ob Charles Lawrence Zugang zu diesen Hunden hatte. Die Hunde von Charles Lawrence, die er in der Trumpington Street nahe den großen Colleges verkaufte, wurden als "Cantab" oder "Trumpington" Terrier bekannt.

Früher lebten die kleinen roten Terrier auf den Höfen der Bauern.

 

Rags und Ninety

 
 
Lewis Low mit Ninety (links) und einem Welpen
Mr. Jack Cooke, Master of the Norwich Staghounds, kaufte bei Mr. Jordell Hopkins aus der Trumpington Street den Rüden Rags. Rags war Sohn eines Trumpington Terriers mit langem seidigen Fell aus einer dunkel gestromten Aberdeen Terrier Hündin. Er war ein kleiner roter Terrier mit zottigem, rauem Fell und möglicherweise kupierten Stehohren. Als Vererber und als Arbeitsterrier machte er sich schnell einen Namen. Vor allem seine Nachkommen mit Ninety, einer glatthaarigen, weißen, stehohrigen Hündin machten von sich reden. Ninety gehörte Mr. Lewis Low, einem engagierten Züchter aus Norwich. Alle Nachkommen waren rot und stehohrig mit gutem Haar.

Die Mäuse- und Rattenjagd war ihre Hauptaufgabe.

 

Frank Jones

Frank Jones arbeitete bei Mr. Jack Cooke. Er kaufte einige der Nachkommen von Rags und Ninety und begann selber mit ihnen zu züchten. Durch die Einkreuzung von Cairn, Glen of Imaal und Yorkshire Terriern hatte er bald sein Zuchtziel erreicht. Später wurde er Zureiter beim bekannten Pferdehändler John Henry Stokes und begann, seine Hunde in alle Welt zu exportieren. In Amerika wurden seine Hunde als "Jones Terrier" bekannt. Auch in England hatten seine Hunde großen Einfluß. So begannen Mr. und Mrs. West ihren "Farndon" Zwinger mit einer Jones Terrier Hündin. Auch die black-and-tan Hündin Brownie, die in der Abstammung vieler bedeutender Hunde vorkommt, gilt als Jones Terrier. Mit ihr begann Mrs. Fagan 1912 ihre Zucht.

 

R. J. Read

Auch Mr. R. J. Read, der später der erste Präsident des Norwich Terrier Clubs wurde, begann 1909 seine Zucht mit einem Nachkommen von Rags und Ninety. Er versuchte durch die Einkreuzung eines Bedlington Terriers, eines Staffordshire Bull Terriers und eines kleinen Irish Terriers seine Hunde zu verbessern, machte aber schließlich eine Rückkreuzung zur Linie von Mr. Cooke. 1929 züchtete er Horstead Mick, einen roten, stehohrigen Rüden, der als einer der bedeutendsten Vorfahren der heutigen Norwich Terrier gilt.

Das Bild des 1925 geborenen Babbling Binks läßt eine Einkeuzung von Irish Terriern vermuten

Die Anerkennung der Rasse

Anfangs war die Ohrhaltung der Hunde noch nebensächlich, da es üblich war, die Ohren zu kupieren. Nach dem Ohrkupierverbot von 1889 wurde jedoch immer deutlicher, dass eine Unterscheidung beider Typen notwendig ist, denn die Kreuzung von kipp- und stehohrigen Hunden ergab regelmäßig Hunde mit "Flatteröhrchen", die auch heute noch bei Norfolk-Terriern vorkommen. Beide Typen hatten Anhänger, weshalb man sich nicht auf eine Ohrhaltung einigen konnte.

 
 
Biffin of Beaufin (links) und Little Jane (rechts)
Obwohl sich die Züchter auch 1930 noch nicht einig waren, bemühten sie sich doch um die Anerkennung der Norwich Terrier als Rasse. Mit Erfolg. Als der Kennel Klub die Norwich-Terrier 1932 als Rasse anerkannte, durften sie laut Standard Steh- und Kippohren haben. Im gleichen Jahr wurde der Norwich Terrier Club gegründet, mit R. J. Read als erstem Präsidenten. Nachdem die Rasse 1935 das Recht erhielt, Anwartschaften auf einen Championtitel zu erwerben, gab es bis zum zweiten Weltkrieg 6 Champions der Rasse, von denen drei kippohrig und drei stehohrig waren.

Erster Champion war der 1932 geborene Ch. Biffin of Beaufin von Mrs. E. Mainwaring. Auch wenn seine Ohren nicht richtig kippen wollten, hatte er doch nachhaltigen Einfluß auf die Rasse. Heute ist er sowohl in den Abstammungen der Norfolk- als auch der Norwich- Terrier zu finden. Schon in den 30er Jahren begann sich die Rasse zu spalten, so dass es Ende der 40er Jahre nur noch sehr wenig Norwichs gab, die in ihrer Ahnentafel Vorfahren mit unterschiedlicher Ohrhaltung hatten.

 

Colonsay (1935-1965)

 
 
Tiny Tim of Biffin
1935 trat die Dalmatiner Züchterin Miss Marion Sheila Scott Macfie dem Norwich Terrier Club bei. Sie begann ihre Zucht mit Kinmount Pip, sowie mit Mrs. Mainwarings Tiny Tim of Biffin, einem Sohn von Ch. Biffin of Beaufin und Little Jane. Mit ihrem Zwinger "Colonsay" sollte sie in den folgenden Jahren zum bedeutendsten Züchter kippohriger Norwichs werden. Ihr ist es zu verdanken, dass die Rasse während des Zweiten Weltkrieges nicht ausgestorben ist. Jeder heute lebende Norfolkterrier geht auf ihre Hunde zurück.

Ihre Hunde stellte sie oft und erfolgreich aus. So gewann der 1960 geborene Ch. Colonsay Orderley Dog 19 CC’s und die ebenfalls 1960 geborene Ch. Colonsay Banston Belinda bekam 12 CC’s. Dies war ein Rekord für eine Hündin, der lange bestehen blieb.

Weitere bedeutende Hunde des Zwingers waren Colonsay We Three, führender Deckrüde seiner Zeit, Ch. Colonsay Junior, Großvater von Orderley Dog und Banston Belinda, sowie Ch. Colonsay Dixie, Flip und seine Tochter Ch. Minx of Furzyhurst.

 
 
Miss Macfie, Orderley Dog & Banston Belinda
Obwohl in den 50er und 60er Jahren mehr kipp- als stehohrige Norwichs registriert worden sind, war es bei der Vergabe der CC’s umgekehrt. Die Qualität der kippohrigen Norwichs war schlecht in dieser Zeit und ein einheitlicher Typ kaum zu erkennen. Bis 1964 gab es insgesamt 56 stehohrige Champions, aber nur 19 Champions waren kippohrig. Auf Ausstellungen lagen daher die Meldezahlen der Kippohrigen nur noch bei einem Viertel der Stehohrigen.

Die Notwendigkeit getrennter Registrierungen wurde immer deutlicher. Dennoch wurde der entsprechende, von Miss Macfie propagierte Antrag zwischen 1957 und 1963 vom Kennel Club fünfmal abgelehnt. 1964 willigte der Kennel Club endlich ein und die Kippohrigen erhielten einen neuen Namen: Norfolk Terrier. Noch im selben Jahr wurde der Norfolk Terrier Club gegründet mit Miss Macfie als erster Präsidentin.

Präsidentin des Norfolk Terrier Clubs blieb sie bis zu ihrem Tod. Als sie ein Jahr später starb, erbte Alice Hazeldine vom Zwinger "Ickworth" alle Colonsay Norfolks.

 

Waveneyvalley (1942-1959)

 
 
Victor Page mit Waveneyvalley Norfolks
Auch die Waveneyvalley Norfolks von Mr. Victor Page waren wichtige Stammväter der heutigen Norfolks.

Sein Rüde Ch. Waveneyvalley Alder (links im Bild), ein kompakter, dunkelroter Hund war ein sehr bedeutender Vererber. Durch geschickte Linienzucht auf ihn und seinen Vater Elel Spruce, brachten es Zwinger wie Nanfan, Ragus, Wymbur und Gotoground zu großen Erfolgen.

 

 

 

 

Literatur:

Bunting, M. (1989): The First Twenty five Years: An account of the history of the show Norfolk since recognition as a separate breed in 1964, The Norfolk Terrier Club Handbook 1989.
Hinsch, F. (2002): Ursprung der Rasse, in: Norfolk Terrier, Sonderheft "Der Terrier" 4/2002.
Monckton, S. (1960): Early Days, The Norwich Terrier Handbook 1960
Needham, E. A Short History of the Norfolk Terrier
Read, J.R. (1989): The Norfolk Terrier, Livermore, Calif.
Peper, W. (1995): Norfolk und Norwich Terrier, Paul Parey
Taylor, J. (1960): Further light on the possible origin of the Norwich Terrier, The Norwich Terrier Handbook 1960
Taylor, J., Matell, E. (2005): How short-term interest became life-long devotion, The Norfolk Terrier Club of Great Britain, Year Book 2003-2004
White, G. (2005): Determined but with lovable disposition, The Norfolk Terrier Club of Great Britain, Year Book 2003-2004
The Early History of the Norwich Terrier: compiled from information supplied by early breeders, The Norwich Terrier Club Year Book 1932

, 2006

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